Der Widerstand gegen Unfreiheit in München

Leben im Schatten des Hakenkreuzes
Die Weiße Rose blüht auf
Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit!
Das sechste Flugblatt
Es lebe die Freiheit!
Die geschichtlich Bedeutung der Weißen Rose

Kriegsfilme beschreiben Deutsche beinahe immer als antisemitische, synagogenbrennende Bestien, welche die nationalsozialistischen Doktrinen niemals in Frage stellen. Es gab aber auch passiven und aktiven Widerstand im Dritten Reich, obwohl die Andersdenkenden effektiv zum Schweigen gebracht wurden.
Eine der berümtesten Widerstandsgruppen war »die Weiße Rose«, die von einigen Münchner Studenten gegründet wurde. Die wichtigsten Mitglieder der Gruppe waren die Geschwister Hans und Sophie Scholl.

Sophie (*9. Mai 1921) und Hans (*22. Sept. 1918) verbringen ihre Kindheit im Städtchen Forchtenberg im Kochertal, wo ihr Vater Robert Scholl Bürgermeister ist. 1930 zieht die Familie nach Ludwigsburg, weil Robert Scholl nicht mehr zum Bürgermeister gewählt wird.
Im Jahre 1932 ziehen sie nach Ulm. Ulm - die Geburtsstadt Albert Einsteins an der Donau - wird die letzte richtige Heimatstadt von Hans und Sophie.

Die Weisse Rose
Foto: © George (Jürgen) Wittenstein / akg-images

Leben im Schatten des Hakenkreuzes

Im Januar 1933 wird Hitler Reichskanzler Deutschlands. Hitler wird von vielen als die letzte Hoffnung des Landes betrachtet, aber Robert Scholl empfindet seinen Aufstieg zur Macht bedrohlich. Seine Angst ist begründet: In ein paar Monaten zerstört Hitler das demokratische Regierungssystem der Weimarer Republik.

Im Frühjahr 1933 enttäuschen Hans und Sophie ihren Vater: Hans wird Mitglied in der Hitlerjugend (HJ), und er ist begeistert von den Wanderfahrten und Gruppenabenden, von Zeltlagern und von der Gemeinschaft mit Gleichaltrigen. Sophie wird Mitglied im Bund deutscher Mädel (BdM). Auch sie erlebt die erste Zeit dort voller Begeisterung. Die HJ war wie eine Anfängerschule des Nazismus. Die Gruppen waren militärisch organisiert und die Tätigkeit der Organisation zielte auf die Stärkung der Kriegsbereitschaft. Die Zeit bis etwa 1936 ist für beide die Zeit, in der sie ihre Erfahrung mit diesen NS-Organisationen sammeln, eine Zeit, in der sie beginnen, die Realitäten des Nationalsozialismus zu erkennen, den Versuch, individuelle Freiheit einzuschränken und zu beseitigen. Sophie sieht, wie der Druck auf jüdische Mitschülerinnen zunimmt, die auch nicht in den BdM eintreten dürfen. Dies alles macht sie nachdenklich.

Als HJ-Gruppenführer nimmt Hans 1936 am Parteitag in Nürnberg teil. Hier ergibt sich keine Gelegenheit zu vernünftigen Diskussionen mit den anderen Jugendlichen, sondern alle Tage sind mit nichtssagendem Quatsch und Exerzieren gefüllt. Aus Nürnberg zurück, ist er ein anderer Mensch als vorher: deprimiert, schweigsam und zurückgezogen.

Nach der Enttäuschung von Nürnberg interessiert Hans sich für die Jugendorganisation »Deutsche Jungenschaft vom 1.11.«, deren Mitglieder sich für fremde Kulturen, Natur und Literatur interessieren. Die Nazis erlaubten neben der HJ und ihren Schwesterorganisationen keine andere selbständige Jugendorganisationen, und deswegen ist auch D.j.1.11. verboten. Die Tätigkeit der D.j.1.11. wird von der Gestapo nicht übersehen. Im Herbst 1937 werden Razzien überall in Deutschland ausgeführt, um die Organisation zu zerstören. Vier von den fünf Kindern der Familie Scholl werden im November festgenommen. Sie werden im Schneesturm auf offener Pritsche nach Stuttgart transportiert. Dort wird Sophie relativ schnell freigelassen, aber Hans verbringt fast fünf Wochen im Gefängnis.
Nach diesem Erlebnis trennen die Geschwister sich endgültig vom Nationalsozialismus.

Im September 1939 greift Deutschland Polen an, der Zweite Weltkrieg bricht aus. Einige Monate später macht Sophie das Abitur. Weil der Krieg viele Arbeitskräfte bindet, wird verordnet, daß alle Abiturienten einen Arbeitsdienst erledigen müssen, bevor sie weiter studieren dürfen. Das will Sophie aber nicht. Sie versucht, Kindermädchen zu werden, um den Arbeitsdienst zu vermeiden. Das gelingt ihr jedoch nicht. Nach dem Abitur muß Sophie den Arbeitsdienst und außerdem noch den Kriegshilfsdienst ableisten, insgesamt zwölf Monate.

Im März 1942 ist auch der Kriegshilfsdienst vorbei, und Sophie kommt zurück nach Ulm. An ihrem letzten Geburtstag reist sie nach München, um ihr Studium zu beginnen. Am Bahnhof wird sie von ihrem Bruder Hans abgeholt, der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert. Hans verspricht, Sophie am Abend mit seinen Freunden bekannt zu machen. Diese Freunde sind Christof Probst, Alexander Schmorell und Willi Graf. Sie alle studieren Medizin und sind Mitglieder in der sog. Studentenkompanie. Mitglieder der Studentenkompanie können normal studieren, aber sie gehören der Wehrmacht an und werden in den Semesterferien an die Front kommandiert. Der Abend ist gemütlich: Sophie und die Jungen diskutieren und essen den Festschmaus, den Sophie mitgebracht hat.
Während des Abends stellt sich auch heraus, daß keiner von den Freunden verstehen kann, warum die Deutschen nichts gegen den brutalen Terror und die unsinnige Kriegsführung der Nazis unternehmen.

Willi Graf Christof Probst Alexander Schmorell
Fotos: © Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Willi Graf, Christof Probst und Alexander Schmorell

Die Weiße Rose blüht auf

Anfang Juli 1942, sechs Wochen nach der Ankunft Sophies werden an der Universität antinazistische Flugblätter in einer Auflage von ca. 100 Exemplaren verteilt. Sophie ist begeistert: Endlich hat es jemand gewagt! Als Sophie das Flugblatt genauer liest, kommt ihr der Text bekannt. Sie weiß aber nicht warum.
Sophie eilt zur Wohnung ihres Bruders, um ihm die große Nachricht zu erzählen. Hans ist nicht zu Hause und Sophie wartet. Während sie wartet, blättert sie in einem Buch, das auf dem Tisch liegt. Einige Punkte im Buch sind angestrichen. Auch diese kommen ihr bekannt vor. Da erinnert sich Sophie: Diese Stellen sind auch im Flugblatt, das sie an der Universität bekommen hat. Sophie begreift, daß Hans etwas mit den Flugblättern zu tun haben muß. Sie ist erschüttert: Warum macht Hans so was - warum überläßt er solche Sachen nicht Menschen, die mehr Erfahrungen haben.

Als Hans zurückkommt, fragt Sophie, ob er etwas über die Flugblätter wisse. Hans gibt zu, daß er etwas weiß. Sophie sagt, daß auch sie an der Aktion teilnehmen möchte. Hans willigt widerwillig ein. Kurze Zeit danach tauchen in Münchner Briefkästen noch drei weitere Flugblätter auf. Sie alle sind betitelt wie das erste: »Flugblätter der Weißen Rose«.

Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit!

Einige Wochen vor dem Ende des Semesters wird den Medizinstudenten, die Mitglieder der Studentenkompanie sind, mitgeteilt, daß die Kompanie an die Ostfront geschickt wird (Deutschland hatte die Sowjetunion im Sommer 1941 angegriffen). Am letzten Abend vor der Abfahrt nach Rußland versammeln die Freunde sich in einem leeren Atelier, um zu diskutieren, ob es Möglichkeiten gibt, die Tätigkeit fortzusetzen. Ein Beschluß wird gefaßt, daß der Widerstand im erweiterten Kreis fortgesetzt werden sollte: Alle sollen überlegen, welche von ihren Freunden zuverlässig genug wären, um mitzumachen.

Am folgenden Tag fahren die Jungen von Christof Probst abgesehen nach Rußland ab. München ist jetzt für Sophie einsam und fremd. Sie packt ihre Sachen und reist nach Hause, das auch leerer als gewöhnlich ist: Ihr jüngster Bruder Werner ist ebenfalls in Rußland und ihr Vater ist zu einer Haftstrafe von vier Monaten verurteilt worden, weil er seiner Sekretärin gesagt hat, daß Deutschland den Krieg schon verloren habe und daß die Russen bald in Berliner Verwaltungsgebäuden säßen.

Zu Hause hört Sophie etwas schreckliches, als sie eine Freundin ihrer Mutter trifft. Die Freundin, die in einer Heilanstalt für geistig gestörte Kinder arbeitet, erzählt, daß die SS schon seit einigen Monaten Kinder, die als hoffnungslose Fälle betrachtet werden, geholt hat, um sie zu vergasen.
Auch Hans wird während seines Rußlandaufenthaltes mit den Grausamkeiten des Nazistaates konfrontiert. Auf dem Weg nach Rußland sieht er auf einem polnischen Bahnhof jüdische Frauen, dünn wie Bohnenstangen. Sie hacken Steine mit Eisenpickeln. Ein bißchen weiter weg sieht er Greise, die von bewaffneten SS-Männern in Zwangsarbeit getrieben werden. Hans will diesen Menschen helfen: Er springt aus dem Zug und reicht einem Greis seine Quotenzigaretten. Einer Frau gibt er seine eiserne Ration: Dürrobst, Nüsse und Schokolade. In Rußland hört Hans über die Knechtung der Menschen und über die Massenhinrichtungen, wo Tausende unschuldige Menschen umgebracht werden.

Hans und die andere Jungen kommen im Oktober 1942 nach München zurück. Trotz der riesigen Ausnutzung der Sklavenarbeitskraft leidet Deutschland an großem Arbeitskräftemangel. Deswegen sind alle Studenten und Studentinnen, die nicht an der Front sind, für zwei Monate zur Rüstungsindustriearbeit befohlen. Das gilt auch für Sophie, die deswegen erst im Oktober in München ankommt.
Alle Mitglieder der Weißen Rose sind jetzt überzeugter als vorher über die Notwendigkeit des Widerstandes. Gegen Ende des Jahres konzentriert sich die Gruppe auf die Erweiterung ihrer Tätigkeit und auf die Geldsammlung. Kurt Huber, Professor für Philosophie an der Universität, wird Mitglied der Gruppe. Die Gruppe knüpft Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen. Die Flugblätter der Weißen Rose werden auch in andere große Städte in Süddeutschland, z.B. Freiburg, Stuttgart und Karlsruhe, transportiert.
Flugblatt 1
Foto: © Deutsches Historisches Museum, Berlin

Das sechste Flugblatt

Der große Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges ist die Schlacht um Stalingrad (Wolgograd) im Jahr 1943. Die deutschen Truppen werden geschlagen; sie kapitulieren am 31. Januar 1943. Beinahe 400.000 deutsche Soldaten sterben oder werden gefangen genommen.

An einem Abend nach Stalingrad wartet Sophie auf Hans. (Sie wohnen seit einiger Zeit zusammen in einer ziemlich großen Wohnung) Sophie schläft ein und erwacht, als Hans mit Alexander Schmorell und Willi Graf zurückkommt. Hans erzählt, daß sie für Sophie eine Überraschung hätten: "Wenn du morgen früh die Ludwigsstraße entlang gehst, siehst du etwas Tolles!", sagen die Jungen.
Am nächsten Morgen macht Sophie einen Umweg durch die Ludwigsstraße. Sie sieht immer wieder die in großen schwarzen Buchstaben geschriebene Parole »Nieder mit Hitler!« An die Universität ist in gleichen Buchstaben »Freiheit!« geschrieben worden.

Ein bißchen später erscheint das sechste und letzte Flugblatt von der Weißen Rose. Es ist besonders an Studenten gerichtet und geißelt die Beschlüsse Hitlers, die zur Tragödie Stalingrads geführt haben: »Erschüttert steht unser Volk vor dem Untergang der Männer von Stalingrad. Dreihundertdreißigtausend deutsche Männer hat die geniale Strategie des Weltkriegsgefreiten sinn- und verantwortungslos in Tod und Verderben gehetzt. Führer, wir danken dir!«

In der Nacht zwischen dem 17. und 18. Februar 1943 hat Sophie einen Traum, in dem sie und Hans von der Gestapo festgenommen werden.
Während der Vorlesungen teilen die Geschwister Scholl aus einem grossen Koffer Flugblätter vor den Hörsaaltüren aus und werfen die Reste vom obersten Stockwerk hinunter in den Lichthof der Universität. Das ist nicht mit den Freunden abgesprochen und entspricht auch nicht der üblichen Vorgehensweise.
Sie glauben, daß niemand sie sieht. Sie haben aber Pech: Der regimgetreue Hausmeister der Universität, Jakob Schmid, ist wachsam, sperrt alle Ausgänge ab und ruft daraufhin die Gestapo. Noch im Lichthof müssen die Geschwister Scholl Fragen der Gestapo beantworten. Diese streiten jedoch sämtliche Vorwürfe in Zusammenhang mit den Flugblättern ab, so dass Zweifel aufkommen, ob es sich wirklich um Mitglieder der Widerstandsgruppe handelt. Doch dann werden mehrere hundert Achtpfennigbriefmarken in den Zimmern von Sophie und Hans in der Franz-Joseph-Straße 13 gefunden, welche die beiden Verhafteten stark belasten.

Am folgenden Tag wird auch Christof Probst festgenommen, weil die Gestapo bei Hans einen handgeschriebenen Flugblattentwurf von ihm findet. Christof Probst ist von den Mitgliedern der Gruppe der einzige, der Kinder hat. Als er festgenommen wird, hat seine Frau gerade ihr drittes Kind bekommen. Christof Probst darf sein jüngstes Kind nicht mehr sehen.

Alle drei werden zum Münchner Hauptquartier der Gestapo gefahren. Dort werden sie vier Tage und Nächte verhört. Nach der Verhaftung von Christof Probst bekennen sich Hans und Sophie zu den Widerstandsaktionen der Weißen Rose. Die Geschwister versuchen, Christof Probst zu entlasten, und nehmen alle Schuld auf sich.

Es lebe die Freiheit!

Die Entdeckung, daß die Widerstandsaktionen der »Weißen Rose« von jungen Leuten getragen wird, scheint ein Schock für die Naziführung zu sein. Seit 1933 hatte der Nazi-Staat versucht, die Jugend für sich zu gewinnen und so mit ihr einen Staat der NS-Ideologie zu errichten. Mit der Verhaftung der Mitglieder der »Weißen Rose« stellt der NS-Staat fest, daß bis auf Kurt Huber, Professor an der Uni München, alle Mitglieder der »Weißen Rose« junge Leute sind, die durch den NS-Staat geprägt sein sollten, junge Leute, die 1933 den Beginn der NS-Herrschaft begeistert begrüßt hatten. Und aus dieser Jugend heraus hat sich aktiver Widerstand entwickelt. Die Reaktion der Nazis ist entsprechend hart und grausam:

Das Gerichtsverfahren gegen die Scholls und Christof Probst findet am 22. Februar 1943 statt. Der Vorsitzende des Sondergerichtes ist der Präsident des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, der den Beinamen »Henker« hat.
Die Eltern von Hans und Sophie erfahren von der Festnahme ihrer Kinder am Freitag, dem 19. Februar 1943. Die Eltern reisen nach München, um an der Gerichtssitzung teilzunehmen. Aber: Nur eingeladene Personen mit einem Passierschein werden hineingelassen. Die Einladung zu solchen Gerichtsverfahren ist für Nazis eine Ehre: Privilegierte sind meistens Parteifunktionäre, Führer der SS und der Wehrmacht. Den Scholls gelingt es jedoch, in den Sitzungssaal zu schleichen. Dort versucht Herr Scholl, für seine Kinder zu sprechen. Die Eltern werden aber hinausgeworfen und nicht mehr reingelassen. Der Prozess beginnt um 10.00 Uhr und ist um 13.00 Uhr bereits beendet.
Am Nachmittag, 13.30 Uhr kommt das Gericht zurück, um das Urteil zu verkünden. Das Urteil ist wie erwartet: Alle drei werden wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Danach bekommen sie Gelegenheit zu einem letzten Wort. Sophie schweigt. Christof Probst fleht um Gnade wegen seiner Kinder. Hans versucht, ihn zu unterstützen, wird aber von Freisler, dessen Verhandlungsstil reine Anklage ist, unterbrochen: "Wenn Sie für sich selbst nichts vorzubringen haben, schweigen Sie gefälligst!"

Nach dem Gerichtsverfahren werden alle drei in das große Vollstreckungsgefängnis München-Stadelheim überführt. Dort dürfen die Eltern von Hans und Sophie ihre Kinder zum letzten Mal treffen. Hans, der ihnen zuerst zugeführt wird, trägt Sträflingskleidung. Er dankt seinen Eltern für die Jahre, die er mit ihnen verbringen durfte. Er bittet sie auch, Grüße an seine Freunde zu überbringen. Als er das sagt, hat er Schwierigkeiten, seine Tränen zurückzuhalten. Er wendet sich ab. Der Vater schließt ihn mit den Worten in die Arme: "Ihr werdet in die Geschichte eingehen; es gibt noch eine Gerechtigkeit." Dann wird Hans weggebracht. Sophie trägt ihr eigenes Kleid, lächelt die ganze Zeit und nimmt gern die Süßigkeiten, die Hans abgelehnt hat. Ihr größter Kummer ist, ob die Mutter den Tod gleich zweier Kinder ertragen würde. (Eigentlich muß sie den Tod dreier Kinder ertragen, weil ihr jüngster Sohn Werner an der russischen Front vermißt wird.) Als sie jetzt ihre Mutter so tapfer sieht, beruhigt sie sich "Nun wirst Du also gar nie mehr zur Türe hereinkommen.", sagt die Mutter - "Ach, die paar Jährchen, Mutter", antwortet Sophie. Das letzte von beiden Seiten ist: "Gelt, Sophie, Jesus" - "Ja, aber Du auch" Dann wird auch Sophie in ihre Zelle weggeführt. Christof Probst darf seine Familie nicht mehr treffen. Er spricht aber mit einem Pfarrer und läßt sich in articulo mortis - im Angesicht des Todes - katholisch taufen. Die Todesstrafen werden schon am selben Tag gegen 17.00 Uhr durch das Fallbeil vollstreckt. Als erste wird Sophie hingerichtet. Sie stirbt ruhig, ohne mit der Wimper zu zucken. Dann Christof Probst und Hans, der, ehe er sein Haupt auf den Block legt, laut ruft, daß es durch das große Gefängnis hallt: "Es lebe die Freiheit!"
Ein paar Tage später werden sie fast heimlich auf dem Perlacher Friedhof beerdigt. Am Beerdigungstag wird mehrfach an die Hauswände in München geschrieben "Ihr Geist lebt weiter!".

An der Ludwig-Maximilians-Universität ermöglicht der Chemiker und Nobelpreisträger Heinrich Wieland zahlreichen »Halbjuden« das Studium an seinem Institut. Auf sein internationales Renommee vertrauend, riskiert Wieland immer wieder Konflikte mit NS-Autoritäten, bleibt aber letzlich unbehelligt. Das Chemische Institut wird so zu einem Sammelbecken oppositioneller Studenten. Hier bildet sich auch der Widerstandskreis um den »Halbjuden« Hans Leipelt und Marie-Luise Jahn. Obwohl sie zur »Weißen Rose« keinen direkten Kontakt hatten, fühlen sie sich nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl verpflichtet, deren Aktionen fortzusetzen. Mit dem Zusatz »Und ihr Geist lebt trotzdem weiter!« vervielfältigen sie das letzte Flugblatt auf der Schreibmaschine.
Nach der Hinrichtung geht das Wüten des NS-Apparates weiter. Etwa 80 Menschen werden festgenommen. Kurt Huber und Alexander Schmorell werden am 19. April 1943 zum Tode verurteilt und am 13. Juli hingerichtet, Willi Graf am 12. Oktober 1943. Und auch 1945 werden noch Todesurteile vollstreckt. Im Herbst 1943 werden Hans Leipelt und Marie-Luise Jahn und andere Institutsangehörige verhaftet. Der Volksgerichtshof verurteilt Marie-Luise Jahn zu einer langjährigen Gefängnisstrafe, Hans Leipelt zum Tode. Am 29. Januar 1945 - das westliche Deutschland ist schon seit einiger Zeit von der Nazi-Herrschaft befreit - wird in München Hans Leipolt hingerichtet. Im KZ Hamburg-Neuengamme werden im April 1945 Margaretha Mrozek und Curt Ledien umgebracht. Am 29. April 1945, wenige Tage vor dem Kriegsende in Europa, wird im Perlacher Forst Harald Dohrn erschossen, das letzte Opfer aus der Widerstandsgruppe »Weiße Rose«.

Verhaftete Mitstreiter:
Helmut Bauer, Heinz Bollinger, Willi Bollinger, Mirjam David, Harald Dohrn, Lieselotte Dreyfeldt, Manfred Eickemeyer, Wolfgang Erlenbach, Valentin Freise, Wilhelm Geyer, Eugen Grimminger, Heinrich Guter, Nikolaj Hamazaspian, Theodor Haecker, Falk Harnack, Hans Hirzel, Susanne Hirzel, Ernst Holzer, Marie-Luise Jahn, Traute Lafrenz, Hans Leipelt, Franz J. Müller, Lieselotte Ramdohr, Gisela Schertling, Katharina Schüddekopf, Hedwig Schulz, Josef Söhngen, Franz Treppesch
Verhaftete in Hamburg sind hier nicht genannt.

Verfolgte Familienangehörige:
Anna und Gerhard Graf, Anneliese Graf, Jenny Grimminger, Clara Huber, Paula Huber, Katharina Leipelt, Maria Leipelt, Angelika Knoop (geb. Probst), Elisabeth Schmorell, Erich Schmorell, Hugo Schmorell, Natalie Schmorell, Elisabeth Scholl, Inge Scholl, Magdalena Scholl, Robert Scholl

Alexander Schmorell wird am 04. Februar 2012 von der russisch-orthodoxen Kirche heiliggesprochen.

Die geschichtliche Bedeutung der Weißen Rose

Im Dritten Reich waren die Mitglieder der Weißen Rose Landesverräter. Heute sind sie Nationalhelden - vor der Ludwig-Maximilians-Universität in München z.B. gibt es den »Geschwister-Scholl-Platz«.
Widerstandsgruppen wie die Weiße Rose sind für die Deutschen ein Beweis dafür, daß nicht alle Deutschen während der Nazi-Diktatur schlecht waren. Vielleicht lindern sie auch die gemeinsame Schuld, woran die Deutschen noch heute leiden. Die Gedanken über die kollektive Verantwortung der Deutschen sind immer noch aktuell. Wenn man die Reaktionen der Deutschen beurteilt, sollte man aber niemals vergessen, wie die Situation in Deutschland während der Nazizeit war - ein Mensch, der an beinahe grenzenlose Redefreiheit gewohnt ist, kann kaum verstehen, wie es ist, wenn auch nur ein einziges unvorsichtiges Wort das Leben kosten kann.

Flugblatt 1 Flugblatt 2 Flugblatt 3 Flugblatt 4 Flugblatt 5 Flugblatt 6

Verwendete und empfohlene Literatur

Panu Moilanen: Die Weiße Rose- über den Widerstand gegen Nazismus in München

Bundeszentrale für Politische Bildung

Weisse-Rose-Stiftung e.V.

Zeitzeugen-Portal: Interview mit George / Jürgen Wittenstein

Chaussy, Ulrich: »Die Weiße Rose - eine multimediale Dokumentation deutschen Widerstandes«
Systhema Verlag GmbH, München 1995. ISBN 3-634-23107-6.

Schneider, Michael C: »Keine Volksgenossen: studentischer Widerstand der Weißen Rose«
Rektoratskollegium der Ludwig-Maximilians-Universität, München 1993. ISBN 3-922480-08-X.

Scholl, Inge: »Die Weiße Rose« (Erweiterte Neuausgabe),
S. Fischer Verlags GmbH (Fischer Taschenbuch Verlag GmbH), Leck 1993. ISBN 3-596-11802-6.

Informationen zur politischen Bildung Nr. 243 »Deutscher Widerstand 1933-45«
Bundeszentrale für politische Bildung, Mai 1994


Mehr über die Geschwister Scholl

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